Beweglicher werden – ohne klassisches Dehnen? So klappt’s!
Du dehnst dich regelmäßig, hältst unbequeme Positionen minutenlang durch – und trotzdem fühlst du dich steif und als würde einfach nichts vorangehen? Vielleicht fragst du dich sogar, ob das tägliche Dehnen überhaupt etwas bringt. Die Antwort ist: Es kommt ganz darauf an, wie du es machst. Denn reine Dehnroutinen – vor allem passive – sind nicht immer der beste oder sicherste Weg zu mehr Beweglichkeit!
Da das viele noch „falsch“ machen und Mobilitytraining „falsch“ verstehen, erkläre ich dir in diesem Beitrag, warum Dehnen alleine oft nicht ausreicht, worauf du stattdessen achten solltest und wie du auf smarte, nachhaltige Weise wirklich beweglicher wirst!
Warum klassisches Dehnen oft nicht reicht
Unter dem klassischen Dehnen verstehe ich, dass man sich in eine Position begibt und dort einige Sekunden oder sogar Minuten anhält und quasi darauf wartet, dass man tiefer kommt. Problematisch ist es hier, dass die Muskulatur nicht aktiviert wird und somit auch die Gefahr besteht, dass du passive Haltestrukturen wie Gelenkkapseln und Bänder mit dehnst.
Viele Menschen dehnen z. B. täglich ihre Hamstrings oder den Hüftbeuger, weil sie sich durch langes Sitzen „verkürzt“ anfühlen. Doch am nächsten Tag ist alles wieder wie vorher. Warum?
Die Ursache liegt tiefer:
Beim rein passiven Dehnen fehlt dem Körper langfristig die aktive Kontrolle über die neu gewonnene Beweglichkeit. Das Gehirn bzw. Nervensystem bekommt nicht genügend Informationen zum neuen Bewegungsradius, und wie diese „neue Range“ sicher genutzt werden kann. Im schlimmsten Fall kann es sogar zu Überlastungen oder Instabilität in Gelenken kommen – vor allem wenn Haltestrukturen wie Bänder oder Kapseln mitgedehnt werden.
Die Lösung? Aktive Mobilität und funktionales Training statt reinem Ziehen und Halten.
Dadurch lernt dein Nervensystem diese neue Bewegungsweite aktiv zu kontrollieren. Somit wirst du nicht nur gesünder beweglicher sondern gleichzeitig auch stärker!
1. Beweglichkeit durch Full Range of Motion (ROM) Training
Wenn du bereits Kraftübungen wie Kniebeugen, Ausfallschritte oder Liegestütze machst: Nutze diese Bewegungen bewusst über die volle Bewegungsamplitude. So bleibt deine Beweglichkeit erhalten – oder verbessert sich sogar.
Beispiel:
Mach deine Squats so tief, wie du kontrolliert gehen kannst. Halte am tiefsten Punkt für ein paar Sekunden oder bewege dich kontrolliert in mehreren Wiederholungen tiefer in die Endposition.
Auch klassische Übungen wie Klimmzüge oder Push-ups lassen sich leicht erweitern:
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Nutze Parallettes bei Liegestützen, um noch tiefer in die untere Position zu kommen.
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Führe Klimmzüge so aus, dass du komplett „aushängst“ und am oberen Ende ganz bewusst in die Endposition ziehst.
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Für gezieltere Mobility-Arbeit kannst du Übungen wie Staggered Deadlifts, Good Mornings oder aktive Runner’s Stretches einsetzen. In der Hüfte helfen dir z. B. weite Lunges, Kossack Squats oder Kneeling Side Lunges – aber immer mit Fokus auf Kontrolle.
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2. Aktive Beweglichkeit im Alltag integrieren
Beweglichkeit ist kein Zustand – sondern ein Prozess. Und dieser findet nicht nur im Training statt, sondern kann auch nebenbei im Alltag verbessert werden.
Wir bewegen uns oft sehr einseitig beziehungsweise wiederholen die immer gleichen schon gewohnten Bewegungen: Sitzen, tippen, gehen. Unser Körper „verlernt“ dabei Bewegungsmuster, die wir nicht regelmäßig nutzen.
Kleine Impulse helfen schon:
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Mache bewusst Schulter- oder Beinkreise beim Zähneputzen.
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Wenn du etwas vom Boden aufhebst: Geh in eine tiefe Squat-Position und nutze die Gelegenheit für ein Mini-Mobility-Workout.
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Streck dich bewusst nach oben oder rotiere deine Wirbelsäule beim Aufstehen.
Dein Nervensystem erinnert sich durch diese kleinen Impulse an vorhandene Bewegungsradien – und du erhältst diese Beweglichkeit ganz nebenbei.
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3. Spielerisches Beweglichkeitstraining – Animal Moves & Co.
Es muss nicht immer nach Plan und mit Timer sein. Spielerisches Training ist nicht nur effektiver, sondern macht auch mehr Spaß!
Animal Moves, wie Bear Walks, Crab Reaches oder Lizard Crawls, kombinieren Mobilität mit Kraft, Koordination und Spaß an der Bewegung. Du bewegst dich automatisch in neue Positionen und forderst deine Endrange immer wieder heraus – auf kontrollierte und natürliche Weise.
Der Schlüssel: Langsamkeit und Kontrolle.
Bewege dich bewusst, spüre nach, was dein Körper tut – und lerne deine Bewegungsgrenzen kennen, um sie Stück für Stück zu erweitern.
4. Aktive Mobility mit PNF-Techniken
Wenn du gezielt an deiner Beweglichkeit arbeiten willst und vielleicht auch extremere Positionen wie einen Spagat lernen möchtest, kannst du aktive Dehnmethoden wie PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation) nutzen. Diese Methoden nutzen die Kommunikation zwischen Nervensystem und Muskulatur, um Bewegungsradien effektiv zu erweitern.
Hier die drei bekanntesten Varianten:
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Contract-Relax (CR):
Du gehst in eine Dehnposition, spannst den Zielmuskel für 6–8 Sekunden isometrisch an, entspannst und gehst danach tiefer in die Dehnung. -
Antagonist-Contract (AC):
Hier aktivierst du gezielt den Gegenspieler des gedehnten Muskels. Z. B. bei Hüftbeugerdehnung spannst du aktiv die Gesäßmuskulatur an. Das sorgt für mehr aktive Kontrolle in der neu gewonnenen Range. -
CRAC (Contract-Relax-Antagonist-Contract):
Eine Kombination aus beidem: Nach dem Anspannen und Entspannen des Zielmuskels aktivierst du zusätzlich den Gegenspieler. Sehr effektiv – besonders für Bereiche wie die Beinrückseite oder Schultern.
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Wichtig: Nutze die neu gewonnene Beweglichkeit direkt danach auch in funktionalen Bewegungen, z. B. bei Squats, Flows oder im Alltag.
Was ist mit passivem Dehnen?
Heißt das nun, du sollst nie wieder passiv dehnen? Nein – passives Dehnen hat nach wie vor seine Berechtigung. Gerade wenn du bereits länger im Sportbereich unterwegs bist, ohne jemals ein gutes Mobilitytraining integriert zu haben, ist dein Muskeltonus vielleicht sehr hoch. Dann kann statisches Halten durchaus sinnvoll sein, um Spannung zu regulieren.
Aber: Nutze den gewonnenen Bewegungsradius direkt im Anschluss, sonst baut dein Körper ihn schnell wieder ab.
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Fazit: Beweglichkeit braucht mehr als nur Dehnen
Um wirklich beweglicher zu werden, brauchst du:
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Aktive Kontrolle über deinen Bewegungsradius,
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Stabile Gelenke und kräftige Muskeln in der Endposition,
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und vielfältige Bewegungsreize im Alltag und Training.
Klassisches Dehnen ist nicht per se schlecht – aber allein nicht genug. Probiere deshalb verschiedene Methoden aus, kombiniere aktive Mobilität, funktionelles Training und spielerische Elemente. So findest du den Weg, der deinen Körper wirklich weiterbringt – nachhaltig und gesund.